Bempedoinsäure – Ein neuer Lipidsenker als Monotherapie und in Kombination mit Ezetimibe zusätzlich zu Statinen

The new compound
Issue
2022/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2022.02183
Cardiovasc Med. 2022;25:w02183

Published on 01.01.2022

Untersuchungen in Allgemeinpraxen in der Schweiz haben eindrücklich gezeigt, dass mit der gegenwärtigen lipidsenkenden Therapie Patienten nur ungenügend die von den ESC Guidelines empfohlenen Zielwerte für LDL-C erreichen.

Lipidtherapie heute

Die Cholesterinhypothese ist eines der am besten dokumentierten Konzepte der modernen Medizin mit über zweieinhalb Millionen Patienten, die in randomisierten kontrollierten Langzeitstudien mit Statinen vsersus Placebo, verschiedenen Statinen im Vergleich oder verschiedenen Dosierungen desselben Statins eingeschlossen wurden [1]. Alle diese Untersuchungen zeigen einheitlich, dass eine Senkung des Cholesterins, insbesondere des Low-density lipoproteins (LDL-C), dosisabhängig zu einer Reduktion von Herzinfarkt, Hirnschlag und verfrühtem Tod um ca. 25% pro Jahr führt [2]. Die absolute Risikoreduktion durch eine LDL-C Senkung hängt von der Höhe des individuellen Risikos, der Höhe des Cholesterins sowie dem Ausmass und der Dauer der LDL-C Senkung ab [2].


Entsprechend wurden die Statine seit Ende der 80er-Jahre zunehmend bei allen Herzpatienten, vor allem denjenigen mit koronarer Herzkrankheit, aber auch bei noch gesunden Individuen (mit kardiovaskulären Risikofaktoren, wie erhöhtem Cholesterin, Hypertonie oder Diabetes) eingesetzt.

Die Statine senken die Cholesterinproduktion in der Leber, die etwa 85% des Gesamtpools von Cholesterin im Körper ausmacht, durch Hemmung der HMG-Coenzyme-A Reduktase. Dies führt zu einer Hochregulation der hepatischen LDL-Rezeptoren mit nachfolgender Senkung der LDL-Serumkonzentration. Die Statine gehören zu den wohl wirksamsten und am besten verträglichen Medikamenten der kardiovaskulären Medizin und werden entsprechend breit verwendet. Von der Potenz her, sind Atorvastatin, Pitavastatin und Rosuvastatin, die wirksamsten Statine, welche das LDL-Cholesterin dosis-abhängig bis zu 50% senken, gefolgt von Simvastatin, Fluvastatin und schliesslich Pravastatin, der am wenigsten wirksamen Substanz [3, 4].

Zusätzlich zu den Statinen wird vermehrt auch eine Kombination mit Ezetimib verwendet, einem Hemmer des Niemann-Pick C1-like Proteins 1 (NPC1L1) im Darm. Damit wird die Cholesterinaufnahme aus der Nahrung reduziert, wodurch es zu einer Senkung des LDL-Cholesterins um etwa 20–25% kommt [5]. Die Hemmung der intestinalen Cholesterinresorption wirkt synergistisch mit derHemmung der hepatischen Cholesterinsynthese.

Nachteile der heutigen Lipidtherapie

Die heutige Lipidtherapie weist eine Reihe von Problemen auf, wie ungenüngender Einsatz, Unter-Dosierungen, Non-Compliace von Patienten und Äzten und anders mehr (Abb. 1) [6].
Abbildung 1
Vorgehen bei Statinunverträglichkeit (nach [11]).

Nebenwirkungen

Während Ezetimib sehr gut verträglich ist, kommt es, je nach Untersuchung, bei bis zu 5–15% der Patienten unter einer Statintherapie, vor allem bei einer hohen Dosierung, zu muskulären Beschwerden [7]. Eine Erhöhung der Kreatininkinase und insbesondere eine Rhabdomyolyse treten dagegen extrem selten auf. Das gleiche gilt für Veränderungen der Leberenzyme. Eine Statinunverträglichkeit, vor allem aufgrund von Myalgien, ist in der Praxis recht häufig (>10%; [8]) und führt nicht selten dazu, dass Patienten die Medikamente absetzen oder nur in einer ungenügenden Dosierung einnehmen. Dies ist erstaunlich, da in den randomisierten Statin-Untersuchungen, Myalgien selten und nicht viel häufiger auftreten als mit Placebo. Eine Subanalyse der ASCOT-Studie hat gezeigt, dass Myalgien nicht immer durch die Substanz selber verursacht werden (sogenannter Nocebo Effekt; [9]). Eine kürzlich erschienene Single-blind-N-of-1-Studie an 60 Patienten, die Placebo, keine Medikation oder Atorvastatin erhielten, ergab, dass 90% der Nebenwirkungen nicht durch das Statin verursacht sind [10]. Dennoch ist die Statinunverträglichkeit neben anderen Problemen eine reelle Schwierigkeit in der täglichen Praxis (Abb. 1). Das Vorgehen bei Statinunverträglichkeit ist in Abbildung 2 dargestellt [11].

Patienten Adhärenz

Die Patienten-Adhärenz oder Therapietreue wird ausserdem dadurch erschwert, dass vor allem bei noch gesunden Patienten eine lebenslange tägliche Tabletteneinnahme vorgesehen ist, da ansonsten die Wirkung der Cholesterinsenkung rasch nachlässt. Vielen Patienten, vor allem in der Primärprävention, setzen daher nicht selten lipidsenkende Medikamente wieder ab [12].

Statin Management in der Praxis

Vor allem in der Primärprävention betrachten noch immer viele Ärzte recht hohe Cholesterinwerte als normal und reduzieren nicht selten in ungerechtfertigter Weise die Dosierung von Statinen. Insbesondere bei älteren Patienten werden die Statine gerne abgesetzt, obgleich grosse Registerdaten zeigen, dass danach kardiovaskuläre Ereignisse um rund einen Drittel ansteigen [13].

Nicht-Erreichen der empfohlenen Zielwerte

Die Wirksamkeit der Statine, auch in Kombination mit Ezetimib ist bei vielen Patienten ungenügend. Vor allem die neuen 2019 ESC Guidelines for the Management of Dyslipidemias haben deutlich tiefere Zielwerte für die LDL-C Senkung vorgesehen als die 2016 ESC Guidelines (Tab. 1) [14]. Während bei Niedrigrisikopatienten ein LDL-C unter 3,0 mmol/L und bei moderatem Risiko unter 2,6 mmol/L als angemessen betrachtet wird, wird bei Hochrisikopatienten eine Senkung unter 1,8 mmol/L empfohlen und bei solchen mit sehr hohem Risiko unter 1,4 mmol/l oder sogar 1,0 mmol/L bzw. eine mindestens 50%-ige Senkung des LDL-C. Diese neuen Richtlinien stützen sich auf Mendelian Randomization Studies bei Patienten mit MissenseMutationen für das PCSK9 Gen, die eindrücklich zeigen, dass bei lebenslang tiefen Cholesterinwerten (im Mittel 2,6 mmol/l und in der untersten Terzile 1,3 mmol/l) kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zum Wildtyp um mehr als 80% vermindert sind [15] Des weiteren basieren diese neuen Richtlinien auf zahlreichen grossen randomisierten Studien mit Statinen, Ezetimibe und PCSK9 Inhibitoren. Zudem haben intravaskuläre Ultraschalluntersuchungen im GLAGOV Trial gezeigt, dass erst bei einem Cholesterin <1,4 mmol/L eine Regression von cholesterinreichen Plaques zu erwarten ist, während es bei Patienten mit höherem LDL-C zu einer Progression der arteriosklerotischen Plaques kommt [16]. Ebenso führt eine Senkung des LDL-C <1,8 mmol/l mit einem PCSK9 inhibitor zu einer Regression von Carotisplaques [17]. Die neuen Zielwerte beruhen weiterhin auf den positiven Ergebnissen der randomisierten Studien, die alle zeigen, dass eine stärkere LDL-C-Senkung durch Kombinationstherapie einer Statin-Monotherapie überlegen ist [5, 18, 19].
Abbildung 2
Erreichen der LDL-C Zielwerte entsprechend den 2016 und 2019 ESC Guidelines on the
Management of Dyslipidemias nach Risikokategorien [20].
Table 1:
LDL-C Zielwerte entsprechend dem kardiovaskulären Risiko nach den 2019 ESC Guidelines in the Management of Dyslipidemias [14].
EmpfehlungKlasseStufe
In der sekundären Prävention für Patienten mit sehr hohem Risiko wird eine LDL-C-Reduktion von ≥50% und ein LDL-C-Zielwert von <1,4 mmol/L empfohlen.IA
In der Primärprävention für Individuen mit sehr hohem Risiko, aber ohne FH wird eine LDL-C-Reduktion von ≥50% und ein LDL-C Zielwert von <1,4 mmol/L empfohlen.IC
In der Primärprävention für Individuen mit sehr hohem Risiko mit FH sollte eine LDL-C-Reduktion von ≥50% und ein LDL-C-Zielwert von <1,4 mmol/L in Betracht gezogen werden.IIaC
Für Patienten mit arteriosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung, welche unter einer maximal tolerierten Statintherapie ein zweites vaskuläres Ereignis innerhalb von 2 Jahren erleben (nicht zwingend ein gleiches Ereignis wie das erste), sollte ein LDL-C von <1,0 mmol/L in Betracht gezogen werden.IIbB
Für Hochrisikopatienten wird eine LDL-C Reduktion von ≥50% und ein LDL-C von <1,8 mmol/L empfohlenIA
Für Individuen mit moderatem Risiko, sollte ein LDL-C <2,6 mmol/l in Betracht gezo-gen werden.IIaA
Für Individuen mit tiefem Risiko, sollte ein LDL-C <3,0 mmol/L in Betracht gezogen werden.IIbA
Untersuchungen in Allgemeinpraxen in der Schweiz haben eindrücklich gezeigt, dass mit der gegenwärtigen lipidsenkenden Therapie Patienten nur ungenügend die von den ESC Guidelines empfohlenen Zielwerte für LDL-C erreichen. So werden bei Niedrigrisikopatienten die ESC-Zielwerte bei rund der Hälfte der Patienten erreicht, bei Patienten mit mässigem Risiko bei 35% (2016 ESC Guidelines) und bei 28% (2019 ESC Guidelines; Abb. 2). Bei Hochrisikopatienten schliesslich sind die entsprechenden Werte 36% und 15% und bei Patienten mit sehr hohem Risiko 28% und 15%. Das heisst, insgesamt erreichen weniger als die Hälfte der Patienten, und bei Hochrisikopatienten sogar nicht einmal ein Viertel, die von den 2019 ESC Guidelines empfohlenen LDL-Cholesterinzielwerte [20]. Ähnliche Ergebnisse wurden ebenfalls in der Schweizer SPUM-ACS-Kohorte bei Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom erhoben [21].
Aufgrund dieser Überlegungen sind zusätzliche Lipidsenker ein ausgesprochener medizinischer Bedarf, sowohl was die Verträglichkeit wie auch die Wirksamkeit allein oder in Kombination mit Statinen und Ezetimib betrifft.

Pharmakologie der Bempedoinsäure

Die Bempedoinsäure (ETC-1002) ist ein neues Medikament zur Senkung des LDL-Cholesterins. Sie hat ein Molekulargewicht von 345 g/mol, ist also ein recht kleines Molekül und wirkt als ein Pro-Pharmakon, das durch das Enzym Very Long-Chain Acyl-CoA-Synthetase-1 (ACSVL1) in der Leber in die aktive Substanz Bempedoyl-CoA metabolisiert wird [22]. Dieser aktive Metabolit von Bempedoinsäure hemmt das Enzym ATP-Citrat-Lyase, das in die Biosynthese des Cholesterins involviert ist oberhalb der HMG-Coenzym-A Reduktase, die durch die Statine gehemmt wird, (Abb. 3).
Abbildung 3
Wirkung von Bempedoinsäure auf den HMG-Coenzym-A-Stoffwechsel in Leberzellen.
Nach oraler Gabe erreicht die Bempedoinsäure den höchsten Plasmaspiegel nach 3.5 h. Nahrung beeinflusst dabei die Absorption des  Moleküls nicht. Bempedoinsäure wird zu über 99% im Kreislauf an Protein gebunden und über eine Glukoronidierung metabolisiert. Die Halbwertszeit des Medikaments beträgt 21 ± 11h. 70% wird über Urin und 30% über den Stuhl ausgeschieden.

Hepatische Selektivität: 

Eine besonders interessante Eigenschaft der Bempedoinsäure ist die Tatsache, dass das Pro-Pharmakon ETC-1002, das metabolisch inaktiv ist, nur in den Leberzellen durch das Enzym Acetyl-Coenzym A Synthetase very long chain-1 (ACSVL1) in die aktive Substanz metabolisiert wird, während dies in den Skelettmuskelzellen nicht der Fall ist (Abb. 4) [23]. In der Tat wird das Enzym ACSVL1 vor allem in der Leber und zu einem gewissen Grad auch in den Nieren, aber nicht in den Skelettmuskelzellen exprimiert. Entsprechend wird geprüft, ob diese Substanz insbesondere für Personen mit Muskelbeschwerden unter Statinen geeignet ist.
Abbildung 4:
Metabolismus des Pro-Pharmakons Bembedoinsäure (ETC-1002) in ihren aktiven Metaboliten ETC1002-CoA in Leberzellen (links) durch das Enzym Acyl-Coenzyme A Synthetase very Long chain-1 (ACSVL1; links). Da das Enzym in Muskelzellen (rechts) nicht exprimiert wird (siehe Western blot rechts), hat Bempedoinsäure – im Gegensatz zu Statinen – keine Nebenwirkungen auf die Muskeln (modifiziert von [23]).

Wirkung von Bempedoinsäure auf den Lipidstoffwechsel

Wirkung auf den Lipidstoffwechsel:

Die Wirkung von Bempedoinsäure auf den Lipidstoffwechsel wurde in verschiedensten Untersuchungen dokumentiert. Die bedeutendste Studie, der CLEAR Harmony Trial, schloss Patienten mit klinisch manifester Arteriosklerose, heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie oder beidem und einem LDL-C von mindestens 1,8 mmol/l unter einer maximal tolerierten Statintherapie ein und randomisierte diese 2:1 zu einer Behandlung mit Bempedoinsäure oder Placebo. CLEAR Harmony ergab, dass das LDL-Cholesterin in Patienten mit Hyperlipidämie im Vergleich zu Placebo um 12,6–16,5% gesenkt werden konnte. Über einen Beobachtungszeitraum von 52 Wochen trat dabei keine Toleranzentwicklung auf (Abb. 5, links) [24]. Ebenfalls kam es, ähnlich wie bei Statinen aber im Gegensatz zu Ezetimib, zur einer Senkung des hoch-sensitiven C-reaktiven Proteins (hsCRP; Abb. 5, rechts).
Abbildung 5
Senkung von LDL-C (links) und hoch-sensitiven C-reaktivem Protein (hsCRP; rechts) im CLEAR Harmony Trial. (modifiziert von [20]).

Bempedoinsäure bei Statinunverträglichkeit

Die Wirkung von Bempedoinsäure bei Patienten mit Statinintoleranz wurde in der CLEAR SERENITY-Studie bei 345 Patienten mit Hypercholesterinämie und einer Unverträglichkeit von mindestens zwei Statinen untersucht. Die Patienten wurden 2:1 zu Bempedoinsäure (180 mg) oder Placebo einmal täglich für 24 Wochen randomisiert. Bempedoinsäure reduzierte das LDL-C-Placebo korrigiert um 21% und Apolipoprotein B100 um 15%. Zudem wurde auch in dieser Studie das hochsensitive CRP um 24% vermindert. Bempedoinsäure war in dieser Patientengruppe ebenfalls sicher und gut verträglich. Myalgien traten sogar mit 5% weniger häufig auf als unter Placebo (7%) [25]. Die Verträglichkeit auf Placebo-Niveau wurde für Bempedoinsäure auch zusätzlich zu Ezetimib bei Statin-intoleranten Patienten in der CLEAR-Tranquility-Studie bestätigt [26]. Da gut belegt ist, dass die meisten Patienten, die über Statin-assoziierte Muskelbeschwerden berichten, diese auch unter Placebo in bis zu 90% der Fälle angeben (Nocebo Effekt) [9], wird selbstverständlich auch unter Bempedoinsäure über muskuläre Symptome berichtet. Die Besonderheit des klinischen Studienprogramms für Bempedoinsäure liegt darin, dass die komplexe Patientenpopulation mit Statin-assoziierte Muskelbeschwerden aktiv eingeschlossen wird.

Kombination mit Statinen und Ezetimibe

In einer weiteren Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Bempedoinsäure (180 mg) und Ezetimib (10 mg) in einer fixen Kombination doppelblind untersucht bei 301 Patienten mit Hypercholesterinämie und einem hohen Risiko für oder bestehenden arteriosklerotischen Herzkreislauferkrankungen oder einer heterozygoten familiären Hypercholesterinämie. Die Patienten wurden 2:2:2:1 (d.h. 108 Patienten zu Bempedoinsäure 180 mg/d und Ezetimibe 10 mg/d, 110 zu Bempedoinsäure alleine, 109 zu Ezetimibe-Monotherapie oder 55 Patienten zu Placebo) randomisiert und während zwölf Wochen zusätzlich zu einem Statin entsprechend behandelt. Nach zwölf Wochen senkte die fixe Kombination das LDL-C placebokorrigiert um 38%. Ezetimib alleine senkte das LDL-C um 23% und Bempedoinsäure alleine um 17% bzw. Placebo-kontrolliert um 25% und 19% [27]. Ohne Statine lag die LDL-C-Senkung durch die Kombination bei 45%. Somit kann mit der fixen Kombination Bempedoinsäure und Ezetimib allein oder zusätzlich zu einem Statin eine markante weitere LDL-C-Reduktion erreicht werden, was bei einer erheblichen Zahl von Patienten ein Erreichen der neuen LDL-C Zielwerte ermöglicht.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Was die Nebenwirkungen betrifft, so zeigte sich im CLEAR Harmony-Trial im Vergleich zu Placebo, eine erhöhte Inzidenz von Gicht, von 1,2 vs. 0,3% aufgrund einer Erhöhung der Harnsäurewerte unter der Therapie. Es handelt sich um einen pharmakologischen Effekt, der wesentlich durch Hemmung des OAT2-Transporter im Nierentubulus bedingt ist. Dieser Effekt ist u.a. auch für Diuretika bekannt, der überdies zu einem geringen Anstieg des Serums Kreatinin führen kann (in der CLEAR Harmony-Studie 0,8% vs. 0,4% mit Placebo). Die Erhöhung der Harnsäure ist nach Absetzen vollständig reversibel. Für Patienten mit Gicht in der Vorgeschichte ist Bempedoinsäure daher nicht das ideale Medikament. Auch kam es zu einem minimalen Anstieg der Serumkreatininwerte um 0,02 mg/dl, wobei nur 0,9% der Patienten nach Abschluss der Behandlung eine glomeruläre Filtrationsrate von unter 30 ml/min/1,73 m2 aufwiesen, während dies in der Placebogruppe bei 1,4% der Fall war.
Ein Abfall des Hämoglobins um mehr als 2 g/dl unterhalb des unteren Normalbereichs traten mit Bempedoinsäure bei 4,9% und bei 2,0% unter Placebo auf, ein solcher von mehr als 3 g/dl bei 1,5% bzw. 1,1% und mehr als 5 g/dl bei 0,2% bzw. 0,2% der Probanden [28].
Bempedoinsäure hemmt die organischen Anionen-Transporter OATP1B1 und OATP1B3. Die gleichzeitige Verwendung von Medikamenten, die Substrate von OATP1B1 oder OATP1B3 sind (z.B. Bosentan, Glecaprevir, Grazoprevir, Voxilaprevir und hochdosierte Statine), kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen dieser Arzneimittel führen. So kann es zwischen Bempedoinsäure und hochdosierten Statinen (d.h. vor allem Simvastatin 40 mg, aber auch Atorvastatin 80 mg, Pravastatin 80 mg und Rosuvastatin 40 mg) zu einem Anstieg der Plasmaspiegel von Statinen, kommen. Entsprechend sollten Dosierungen von Simvastatin über 20 mg nur mit Vorsicht verabreicht werden.
Die European Medical Agency nannte als Nebenwirkungen und Vorsichtmassnahmen folgende: Die häufigsten Nebenwirkungen (von denen etwa eine von 20 Personen betroffen sein können) sind Hyperurikämie und Verstopfung. Bempedoinsäure darf nicht bei schwangeren oder stillenden Frauen angewendet werden. In Kombination mit Simvastatin, kann Bempedoinsäure das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen. Daher sollte die Simvastatin-Dosis höchstens 40 mg betragen. Auch darf Bempedoinsäure bei Patienten mit aktiver Lebererkrankung oder mit ungeklärten hohen Serumtransaminasespiegeln nicht eingesetzt werden [29]. Weiter liess sich in verschiedenen klinischen Studien eine leichte Senkung des Hämoglobins und ein Anstieg der Thrombozytenwerte dokumentieren, wobei diese Veränderungen der Blutbilds nach Absetzen des Medikaments offenbar reversibel sind. Dennoch empfehlen die Autoren dieses Artikels, dass bei Verwendung der Bempedoinsäure nach vier Wochen nicht nur zur Dokumentation des Therapieerfolges die Lipidfraktionen gemessen werden sollen, sondern auch Hämoglobin, Erythrozyten, Thrombozyten sowie die Harnsäure. Bei signifikanten, klinisch relevanten Veränderungen wird empfohlen, das Medikament wieder abzusetzen.

Bempedoinsäure und Glukose-Stoffwechsel

Statine weisen ein geringfügig erhöhtes Risiko auf, dass der HbA1cGrenzwert von 6,5% überschritten wird [7]. Interessanterweise wurde dieser Effekt für Bempedoinsäure nicht beobachtet, möglicherweise kommt es sogar zu einer tendenziellen Senkung des HbA1c-Wertes. So war die Inzidenz eines neu aufgetreten Diates in der CLEAR Harmony-Studie unter Bemepedoinsäure mit 3,3% signigikant geringer als mit Placebo (5,4%)[24]. Der möglicherweise zu den Statinen differenzielle Effekt auf den Glukosestoffwechsel könnte durch einen günstigen Effekt von Bempedoinsäure auf den Fettsäuremetabolismus bedingt sein. Daher werden metabolische Parameter in der CLEAR Outcome-Studie (siehe unten) besonders betrachtet werden.

CLEAR-Trial und klinische Ergebnisse mit Bempedoinsäure

Die Federal Drug Administration, wie viele andere Registrierungsbehörden auch, haben Veränderungen des LDL-C für die Zulassung eines Lipidsenkers akzeptiert. In der Tat sind das LDL-C, wie auch der Blutdruck, so eng mit einer mit dem Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen assoziiert, dass Medikamente bereits aufgrund einer dokumentierten Blutdruck- oder LDL-C Senkung zugelassen werden. Dies ist auch für die Bempedoinsäure der Fall war.
Dennoch verlangen heute Mediziner und zunehmend Registrationsbehörden, bevor sie entsprechende Medikamente benutzen, Daten zu Outcomes Trials. Die Auswirkungen von Bempedoinsäure auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität wird im Moment im CLEAR-Outcomes Trial untersucht. CLEAR-Outcomes (Cholesterol Lowering via BEmbedoic Acid, an ACL-Inhibiting Regimen) ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie, welche Patienten mit (1) etablierter arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder (2) einem hohen Risiko diese zu entwickeln; (3) eine dokumentierte Statinunverträglichkeit aufweisen oder (4) trotz maximal tolerierter lipidsenkender Therapie ein LDL-C ≥2,6 mmol/l zeigen. CLEAR-Outcomes hat 14014 Patienten zu einer Behandlung mit Bempedoinsäure 180 mg täglich oder Placebo zusätzlich zu einer Richtlinien-basierten lipidsenkenden Therapie randomisiert (Abb. 6). Es handelt sich um die grösste Studie, die je in dem anspruchsvollen Kollektiv der Personen mit Statin-assoziierten Musklebeschwerden durchgeführt wurde. Die Rationale für dieses durchaus mutige Design liegt zum einen in der fehlenden Aktivierung der Bempedoinsäure (siehe Abb. 4) im Skelettmuskel und zum anderen in der höheren LDL-C-Senkung durch das Medikament bei geringerer oder fehlender Hintergrundtherapie mit Statinen. Als primären Endpunkt wurde eine Kombination von kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall und einer koronaren Revaskularisation festgelegt. Die Studie wird fortgesetzt, bis 1620 Patienten einen primären Endpunkt mit mindestens 810 harten ischämischen Ereignissen, wie kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall erlitten haben, und eine Mindestbehandlungsdauer von 36 Monaten und eine projizierte mittlere Behandlungsexposition von 42 Monaten erreicht sein wird[30].
Abbildung 6
Design des CLEAR-Trials [30].

Einsatz in der Praxis

Bempedoinsäure wurde von der Swissmedic bereits zugelassen. Die Hersteller sind mit dem Bundesamt für Gesundheit in Verhandlungen betreffend Preis und allfälliger Limitationen auf Hochrisikopatienten. Ab Dezember 2021 soll dieses neuen lipidsenkende Medikament auch in der Schweiz, wohl in erster Linie für Hochrisikopatienten verfügbar sein. Der Vorteil von Bempedoinsäure im Vergleich zu den PCSK9-Inhibitoren, und vermutlich auch zu Incliseran, ist dabei gewiss der Preis (Antikörper gegen PCSK9 können kaum je zu einem vergleichbaren Preis hergestellt werden wie ein kleines, oral zu verabreichendes, verfügbares Molekül) und seine gute Wirkung besonders in Kombnation mit Ezetimibe mit oder ohne Statinen.
Prof. Dr. Thomas F. Lüscher
Center for Molecular Cardiology
University of Zurich
Wagistrasse 12
CH-8952 Schlieren
Cardio[at]tomluescher.ch
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