Praxisassistenz-Rotation in Olten
Die beste Massnahme, um an­gehende Kardiologinnen und Kardiologen für den Einstieg in die Praxis zu motivieren

Praxisassistenz-Rotation in Olten

Special communication
Issue
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2017.00507
Cardiovascular Medicine. 2017;20(10):246-247

Affiliations
Herzpraxis Olten, Olten, Switzerland

Published on 18.10.2017

Rückblickend war die vorbereitende Anpassung der Praxis-Infrastruktur eine entscheidende Rahmenbedingung für den Erfolg der Praxisrotation.

Erfahrungsbericht des Praxisinhabers

Als sich Frau Dr. Myriam Ritter für eine Praxisrotation bei uns interessierte, war für mich klar, dass ich eine an der Praxis interessierte junge Kollegin unterstützen würde. Nachdem die üblichen administrativen Hürden1 wie die Bewilligung zur Anstellung einer Medizinalperson, die FMH-Anerkennung als Weiterbildungspraxis usw. genommen waren, haben wir die Praxis-Infrastruktur so angepasst, dass Myriam ein ­eigenes Büro und ein eigenes Ultraschallgerät zur Verfügung stand und sie den ­Untersuchungsrhythmus selber festlegen konnte. Rückblickend war diese Massnahme m.E. eine entscheidende Rahmenbedingung für den Erfolg der Praxisrotation.
Stefan Goerre
Einige Wochen vor dem ­Beginn der Praxisrotation ­haben wir alle Zuweiser und die Spitalkollegen informiert, dass eine angehende Kardiologin bei uns arbeiten werde. Myriam hat sich ihrerseits einen Tag Zeit genommen, um das MPA-Team, die Betriebsabläufe, die medizinische und administrative Soft- und Hardware und die Tarmed-Abrechnung kennenzulernen. Dank dieser Einführung und ihrem guten Ausbildungsstand führte sie schon nach wenigen Tagen ­Ergometrien, transthorakale Echokardiographien und Schrittmacherkontrollen selbständig durch, was für mich eine willkommene Entlastung ­bedeutete. Stressechokardiographien, transösophageale Echokardiographien, Spiroergometrien und ­ICD-Kontrollen haben wir in den ersten Wochen gemeinsam durchgeführt. In der zweiten Hälfte der Rotation brauchte sie mich auch bei ­diesen Untersuchungen nur noch ausnahmsweise.
Während der ganzen Praxisrotation haben wir jeden von Myriam untersuchten Patienten diskutiert und das Prozedere gemeinsam festgelegt. Hatte ich zu ­Beginn der Rotation noch eine gewisse Coaching («Oberarzt»)-Funktion, so konnte ich mich im Laufe der Praxisrotation immer mehr darauf beschränken, die Beurteilungen und Prozedere-Vorschläge von Myriam zu bestätigen. Die Abschlussbesprechungen mit den Patienten und die Kontakte mit den Hausärzten habe ich ihr bewusst selber überlassen, nachdem ich rasch festgestellt hatte, dass sie bei den Patienten und den Zuweisern sehr gut «ankam». Dass sie im Laufe der Praxisrotation immer mehr Direktzuweisungen erhielt, war für mich der beste Beweis, dass sie von den Hausärzten als kompetente kardiologische Ansprechpartnerin akzeptiert wurde. Das «Sahnehäubchen» der Praxisrotation ­waren zwei zusätzliche Ferienwochen mit dem guten ­Gefühl, dass zu Hause eine gut eingearbeitete, kompetente und loyale Kollegin die Festung hielt.
Meine persönliche Bilanz der ersten Praxisrotation: Der nicht unerhebliche materielle und zeitliche Aufwand zu Beginn der Praxisrotation hat sich mehr als gelohnt, allfällige Befürchtungen wie Blockierung des Praxisbetriebs, unzufriedene Patienten und/oder ­Zuweiser erwiesen sich als unbegründet und meine ­Erwartungen (fachlicher Austausch, Entlastung, Verkürzung der Wartezeiten) wurden übertroffen.
Als ­niedergelassene Kardiologen können wir jungen Fachkolleginnen und -kollegen in erster Linie das ­Praxis-Know-How (Sprechstundenorganisation, Zuweiser-Management, Teamwork in der Praxis, Ausschöpfen der nicht-invasiven Methoden, verhältnismässige Abklärungsstrategien) vermitteln und eine Möglichkeit bieten, das an der Uniklinik erworbene kardiologische Handwerk an einem grösseren Case-load anzuwenden und sich Routine, Sicherheit und Selbständigkeit zu ­erwerben.
Ich kann meinen Praxiskollegen diese ­Erfahrung nur empfehlen und bin überzeugt, dass die Praxisrotation die beste Massnahme ist, um an­gehende Kardiologinnen und Kardiologen für den Einstieg in die Praxis zu motivieren und langfristig das Überleben der Praxiskardiologie zu sichern.

Erfahrungsbericht der Praxisassistentin

Auf die beliebte Frage im Mitarbeitergespräch «wo siehst Du Dich in 10 Jahren?» war für mich die Praxiskardiologie immer eine interessante Aussicht. Aber bisher habe ich noch nie in einer Praxis gearbeitet, also wie wollte ich diese Option wirklich beurteilen?
Die Praxisassistenz, die dank des spontanen Engagements von Dr. Stefan Goerre zustandekam, bot mir dazu die ideale Gelegenheit. Hinzu kam, dass ein Arbeitspensum von 50% möglich war und dass die geregelten Arbeitszeiten den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Babypause vereinfachten.
Myriam Ritter
Zu Beginn der Praxisassistenz wurden mir nur wenige Patienten pro Halbtag eingeschrieben, um mir einen idealen Einstieg in den Praxisalltag zu ermöglichen. Auch die Abläufe in dem bisher als Einzelpraxis ­geführten Betrieb mussten an die neue Situation an­gepasst werden (Kapazität für Supervision oder Vor­bereitung der Patienten usw.). Dass ich bereits echo­kardiografieren, ergometrieren, Devices prüfen sowie Langzeit-EKGs und 24-Stundenblutdruckmessungen auswerten konnte, war sicher von Vorteil für beide Seiten. Stefan nahm sich immer genügend Zeit, um alle Patienten mit mir zu besprechen und sie persönlich zu begrüssen. Mit der Zeit wurden die Untersuchungs­zeiten kürzer angesetzt und somit besser mit dem realen Arbeitsalltag vergleichbar. Zudem wurde mir Verantwortung übertragen, wie z.B. die Evaluation eines neuen ambulanten Blutdruckmess-Systems.
Neben den oben genannten Untersuchungen hatte ich auch die Möglichkeit (zuerst mit Stefan zusammen, im Verlauf dann selbständig), TEE’s und Stressechokardiografien durchzuführen. Im Lauf der Praxisassistenz konnte ich so sogar mehr Untersuchungen durchführen als zuvor am Universitätsspital. Die Befürchtung, dass die Arbeit in der Peripherie im Vergleich zum Zentrum langweiliger sein könnte, hat sich überhaupt nicht bestätigt. Vielmehr war ich überrascht über die Vielfalt des Praxisalltages, der auch GUCH-Patienten, Patienten mit seltenen Erkrankungen oder nach seltenen Eingriffen wie einer pulmonalen Endarteriektomie enthält. Die «Detektivarbeit» von Erstabklärungen hat mir genau so viel Freude bereitet wie die Begleitung von Patienten im Langzeitverlauf.
Was mir zu Beginn ein wenig gefehlt hat, war das Interdisziplinäre, der Austausch im Assistententeam und der Komfort, Spezialisten aus allen Disziplinen in unmittelbarer Nähe zu haben. Auf der anderen Seite konnte ich von Stefans guter Vernetzung mit dem Spital, den Hausärzten sowie der lokalen Herzgruppe profitieren. Die Wertschätzung meiner Arbeit und das gute Arbeitsklima im Praxisteam habe ich als grosse Motivation erlebt. Zudem gab es dank der Anstellung einer Famulantin und eines Praktikanten Gelegenheit, Wissen an jüngere Kollegen weiterzugeben.
Da in der Praxis keine strukturierten wöchentlichen Fortbildungen stattfinden, war es für mich wichtig, ­gelegentlich eine externe Fortbildung zu besuchen. Hier liess mich die persönliche Beziehung zu den Patienten mit einem sensibilisierten Ohr zuhören, da ich zu vielen Themen eine bestimmte Person vor Augen hatte. Die Fortbildung in der Praxis wurde zwar nicht als solche deklariert, floss aber ständig in die Arbeit mit ein. So konnte man sich dank der kurzen Wege in der Praxis einen spannenden Auskultations- oder Echobefund einfach mal schnell gegenseitig zeigen. Auch das selbständige Arbeiten an sich hatte einen grossen Lerneffekt und hat z.B. dazu geführt, Indikationsstellungen genauer zu überlegen. Nicht zuletzt konnte ich von Stefan mit seiner langjährigen Erfahrung viel über den Umgang mit Patienten mitnehmen.
Zusammenfassend war die Praxisassistenz eine ausgesprochen positive Erfahrung, die mich in der Entscheidung den Praxisweg zu beschreiten bestärkt hat.
Die Autoren haben keine finanziellen oder ­persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. Stefan Goerre
Herzpraxis Olten
Tannwaldstrasse 2
CH-4600 Olten
stefan.goerre[at]hin.ch