Eine Erfolgsgeschichte

20 Jahre Kardiologie am UniversitätsSpital Zürich, 1996–2016

Special communication
Issue
2017/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2017.00457
Cardiovascular Medicine. 2017;20(02):51-54

Affiliations
Universitäres Herzzentrum, Klinik für Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich und Center for Molecular Cardiology, Universität Zürich, Schweiz

Published on 15.02.2017

Die Zeit vor 1996

Gewiss, Herzmedizin wurde bereits vor 1996 in Zürich betrieben (Abb. 1). Bevor von Kardiologie als einem ­eigenständigen Fach gesprochen wurde, beschrieb Wilhelm E. Löffler (1887–1972), Ordinarius für Innere Medizin und Arzt von Thomas Mann, 1936 die nach ihm benannte Endocarditis parietalis fibroplastica [1].
Abbildung 1: Pioniere der Herz- und Kreislaufmedizin am UniversitätsSpital Zürich.
Max Holzmann (1899–1994), Oberarzt bei Löffler und Pionier der Elektrokardiographie, wurde 1955 für sein EKG-Lehrbuch [2] und sein Lebenswerk mit dem Marcel-­Benoist-Preis ausgezeichnet.
Unter Robert Hegglin (1907–1969), dem Direktor der Medizinischen Poliklinik von 1957 bis zu seinem Tod, entwickelte sich eine kardiologische Arbeitsgruppe [3] mit Wilhelm Rutishauser (geb. 1921), später Extraordinarius an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich und zuletzt Ordinarius für Kardiologie an der Universität Genf, sowie Heiner Scheu, Ernst Lüthy und Alfred Bollinger [4], der zum Begründer der Angiologie als eingeständigem Fach und zum ersten Leiter der angiologischen Abteilung wurde.
In den 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts kehrte Paul Robert Lichtlen nach einem USA-Aufenthalt an der Johns Hopkins University und einem Besuch bei Mason Soanes an der Cleveland Clinic als Oberarzt an die Medizinische Klinik nach Zürich zurück und führte die Koronarangiographie am damaligen Kantonsspital ein.
Entscheidend war im Jahre 1961 die Berufung von Åke Senning (1915–2000) als Ordinarius für Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Klinik A mit Schwerpunkt Herzchirurgie. Damit konnte sich die Herzmedizin, verteilt über verschiedenste, sich gegenseitig konkurrenzierende Kliniken und Abteilungen, entwickeln. Nachfolger von Wilhelm Rutishauser als Extraordinarius für Kardio­logie an der Medizinischen Poliklinik unter Walter Siegenthaler wurde Hanspeter Kräyenbühl (1933–1993), der die Hämodynamik von Herzklappenerkrankungen erforschte, wofür ihm vom «American College of Cardiology» die «Dudley White Lecture» zugesprochen wurde [5]. Von 1988 bis 1990 war er als einziger Schweizer Präsident der «European Society of Cardiology».
Medizingeschichte schrieb nicht nur Åke Senning mit der Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine, neuen Operationen zur Behandlung der Transposition der grossen Gefässe (Senning Procedure) und der Implantation des ersten Schrittmachers [6], sondern auch Andreas Grüntzig (1939–1985) mit der Entwicklung der Ballondilatation von Gefässstenosen, zunächst in der Beckenstrombahn und der Arteria femoralis super­ficialis und danach am 16. September 1977 erstmals auch der Koronarzirkulation [7]. Dieses Wagnis war nur möglich dank Åke Senning und Marko Turina (geb. 1937), die Andreas Grüntzig bei der ersten Ballon­dilatation zur Seite standen und einen Operationssaal bereithielten. Bis Anfang der 90-er Jahre war eine enge Zusammenarbeit mit den Herzchirurgen, d.h. ein Offenhalten eines Herzoperationssaals während einer Ballondilatation an den Koronargefässen, Standard und ermöglichte die Weiterentwicklung der zunächst komplikationsreichen Methode, so dass sie heute ohne chirurgischen Back-up durchgeführt werden kann. Supraventrikuläre Rhythmusstörungen wurden durch Lukas Kappenberger, später Ordinarius in Lausanne, zunächst intraoperativ mit Marko Turina und danach mit Ablationskathetern im Katheterlabor kurativ behandelt.

Eine Abteilung für Kardiologie

Nach dem Tod von Hanspeter Kräyenbühl wurden die Abteilungen für Kardiologie erstmals zusammengeführt und am 1. Oktober 1996 mit der Berufung von Prof. Thomas F. Lüscher, bis dahin Stellvertreter-Klinikdirektor am Inselspital und Extraordinarius an der Universität Bern, unter einer Führung zusammengefasst. Die damalige Abteilung verfügte über 6 Staffärzte und 5 Assistenten sowie ein modernes Herz­katheterlabor und hatte keinen direkten Zugang zu Betten mit Ausnahme einer kleinen Wochenstation. Innerhalb von 20 Jahren gelang es, aus einer zerstrittenen und von der Inneren Medizin dominierten Abteilung eine der grössten Kliniken des Universitätsspitals und schliesslich zusammen mit der Herz­chirurgie unter Prof. Volkmar Falk und später Prof. Francesco Maisano das heute erfolgreiche und inter­national sichtbare Universitäre Herzzentrum zu gestalten (Abb. 2).
Abbildung 2: Das heutige Universitäre Herzzentrum des UniversitätsSpitals Zürich mit seinen Staffmitarbeitern.

Der Aufbau

Zunächst wurde eine Forschungsabteilung im Institut für Physiologie im Campus Irchel gegründet, die über die Jahre an Bedeutung und Grösse gewann und heute im Campus Schlieren als Center for Molecular Cardiology (www.cmc.ch) 9 Forschungsgruppen mit rund 35 Mitarbeitern umfasst (Abb. 3). Das Center for Molecular Cardiology und seine Vorgängerinstitutionen in Bern und Basel gehören zu den meist zitierten Zentren weltweit. Es hat über die Jahre zahlreiche Mitarbeiter aus über 15 Ländern ausgebildet, die heute bedeutende Position weltweit einnehmen (Abb. 4).
Abbildung 3: Die Forschungsgruppen des Centers for Molecular Cardiology im Campus Schlieren der Universität Zürich.
Abbildung 4: Alumni der Klinik für Kardiologie und ihrer Vorgängerinstitutionen in Basel und Bern, die in der Schweiz ­leitende Positionen erlangt haben.
Die klinische Entwicklung wurde anfangs von der Inneren Medizin in Zürich behindert und konnte sich erst nach der Reform des Departements Innere Medizin im Jahre 2005 und mit dem Erreichen der Stellung einer Klinik weiterentwickeln. Damit wuchsen die Patientenzuweisungen wie auch das ärztliche und Pflegepersonal sowie die Administration. Seit der Gründung des Universitären Herzzentrums ist die Klinik zu einer der grössten Einheiten des UniversitätsSpitals mit 32 Staffärzten, 36 klinischen Assistenten und über 40 Forschungsassistenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und PhD-Studenten angewachsen (Abb. 3). Viele Mitarbeiter der Klinik für Kardiologie haben heute in der Schweiz (Abb. 4) sowie im Ausland (Abb. 5) bedeutende Stellen inne.
Abbildung 5: Alumni der Klinik für Kardiologie und ihrer Vorgängerinstitutionen in Basel und Bern, die international ­leitende Positionen erlangt haben.

Das Universitäre Herzzentrum

Mit dem Umbau des Osttrakts des UniversitätsSpitals konnte im Oktober 2014 das Universitäre Herzzentrum gegründet werden. Sehr schön renovierte Räumlichkeiten wurde bezogen. Die enge Zusammenarbeit mit der Herzchirurgie in «HeartTeams» im Bereich koronare Herzkrankheit, Klappenerkrankungen, Herzinfarkt, Rhythmologie und Devices sowie Herzinsuffizienz und Herztransplantation hat sich bewährt. Diese «HeartTeams» treffen sich meist wöchentlich oder täglich, um klinische Probleme zu besprechen und optimale Entscheidungen für individuelle Patienten zu erarbeiten.
Mit dem Ausbau der Herzkatheterlabors auf nun vier Einheiten (davon ein Hybridsaal) sowie der Einrichtung der ersten zertifizierten «Chest Pain Unit» in der Schweiz konnte die Notfallbetreuung von Patienten in Zusammenarbeit mit der Notfallstation verbessert und die Patientenbetreuung optimiert werden. Dazu trug auch eine grosse «Intermediate Care Unit» zusammen mit der Herz­chirurgie, Angiologie, der Thorax­chirurgie und Pneumologie mit insgesamt 22 Betten bei. Die Klinik für Kardiologie behandelte 2016 3600 stationäre Patienten sowie 600 teilstationäre Patienten und verbuchte in den verschiedenen Sprechstunden rund 10 000 Visiten für ambulante Patienten.

Forschung

Die Klinik ist vor allem im Bereich Gefässerkrankungen und Arteriosklerose [8] weltweit führend und hat entscheidend zum Verständnis der molekularen Mechanismen dieser Erkrankungen beigetragen, insbesondere zur Erforschung der endothelialen Funktion [9], Aktivierung und Dysfunktion, der Thrombosenbildung [10], sowie der Wirkung von Altern [11] sowie Alters- und Langlebigkeitsgenen [12] und der Wirkung von kardiovaskulären Risikofaktoren in der Gefässwand [13, 14].
Bedeutendes konnte auch in der Akutkardiologie geleistet werden durch die Entdeckung neuer Biomarker für das Outcome des akuten Koronarsyndroms [15, 16] und durch die klinische Charakterisierung des Tako­tsubo-Syndroms [17]. Auch in der Herzinsuffizienz konnte sich die Klinik eine bedeutende Stellung erarbeiten dank Arbeiten und Trials im Bereiche der medikamentösen Therapie [18, 19] und der «Cardiac Resynchronization Therapy» [20]. Insgesamt wurden Arbeiten der Klinik und des «Center for Molecular Cardiology» in den letzten 20 Jahren über 50 000 Mal in der wissenschaftlichen Literatur zitiert, womit die Klinik am ­UniversitätsSpital seit Jahren eine Führungs­rolle einnimmt.

Lehre

Ebenso erfolgreich war die Lehre mit Fortbildungsveranstaltungen des «Zurich Heart House» (www.zhh.ch) für Niedergelassene und Spitalärzte am UniversitätsSpital und am «Cardiology Update»in Davos. Weiter bietet die Klinik an der Universität Zürich mit dem «Zurich Heart House» und der «ESC Heart Failure Association» den ersten «Postgraduate Course» für Mediziner an, den «Postgraduate Course in Heart ­Failure Management», der mit einem «Certificate of Advanced Studies» verbunden ist. An diesem Kurs ­nehmen 60 Ärzte aus über 30 Ländern teil, was die internationale Ausstrahlung unterstreicht.
Schliesslich werden für Studenten die kurzen, lesbaren und reich illustrierten Lehrbücher «Module Innere Medizin», die im Springer-Verlag erschienen sind, angeboten. Bis heute sind «Herzkreislauf», «Niere und ableitende Harnwege», «Magen und Verdauungstrakt» und «Lunge und Atemwege» erschienen (Abb. 6). Für Fachärzte wurde das «European Textbook of Cardiovascular Medicine» mit der European Society of Cardiology im Verlag Oxford University Press herausgegeben. Weiter ist das Team der Klinik in der Redaktion der [21] Schweizer Zeitschrift «Cardiovascular Medicine» und engagiert, ebenso im offiziellen Organ der European Society of Cardiology, dem «European Heart Journal». Seit der Übernahme der Chefredaktion stieg der Impact Factor dieser Zeitschrift von 8,9 auf 15,1 und die Downloads von der Journal Plattform auf 7,5 Millionen – auch dies eine Erfolgsgeschichte.
Abbildung 6: Module Medizin für Medizinstudenten.
Für diesen Artikel bestehen keinerlei finanziellen Interessens­konflikte; diese Arbeit wurde in keiner Weise von externen Quellen unterstützt. Im übrigen hat der Autor im Laufe seiner ­Karriere mit über 30 Firmen der Pharma-, Ernährungs- und Device­industrie zusammengearbeitet.
Prof. Thomas F. Lüscher, F.R.C.P.
Direktor Klinik für Kardiologie und Leiter Universitäres ­Herzzentrum
UniversitätsSpital
8091 Zürich
 1 Löffler W. Endocarditisparietalisfibroplastica mit Bluteosinophilie. Schweiz Med Wschr. 1936;66:817.
 2 Holzmann M. Klinische Elektrokardiographie. 5. Auflage,
G. Thieme Verlag, Stuttgart, 1965.
 3 Rutishauser W. . Cardiovasc Med. 2014;17:256–65.
 4 Mahler F. Zum Gedenken an einen Pionier der Angiologie –
Prof. Dr. med. Alfred Bollinger (1932–2015). Cardiovasc Med. 2015;18:201–2.
 5 Rutishauser W. . Cardiovasc Med. 2014;17:289–92.
 6 Säuberli HA. Ake Senning Pionier der Schweizer Herzchirurgie
in Zürich. Cardiovasc Med. 2011;14:109–10.
 7 Meier B, Bachmann D, Lüscher TF. 25 years of coronary angioplasty: almost a fairy tale. Lancet. 2003;361:527.
 8 Ricci R, Sumara G, Sumara IJ, Rosenberg I, Kurrer M, Akhmedov A, et al. JNK2 is required for scavenger receptor-A mediated foam
cell formation and atherosgenesis. Science. 2004;306:1558–61.
 9 Lüscher TF, Diederich D, Siebenmann R, Lehmann K, Stulz P, von Segesser L, et al. Difference between Endothelium-Dependent ­Relaxation in Arterial and in Venous Coronary Bypass Grafts.
N Engl J Med. 1988;319:462–7.
10 Steffel J, Lüscher TF, Tanner FC. Tissue factor and cardiovascular diseases. Molecular mechanisms and clinical implications. ­Circulation. 2006;113:722–31.
11 van der Loo B, Labugger R, Skepper JN, Bachschmid M, Kilo J, ­Powell JM, et al. Enhanced peroxynitrite formation is associated with vascular aging. J Exp Med. 2000;192:1731–43.
12 Camici GG, Savarese G, Akhmedov A, Lüscher TF. Molecular ­mechanism of endothelial and vascular aging: implications for cardiovascular disease. Eur Heart J. 2015;21;36(48):3392–403.
13 Besler C, Heinrich K, Rohrer L, Doerries C, Riwanto M, Shih DM, et al. Mechanisms underlying adverse effects of highdensity lipoprotein on endothelial NO synthaseactivating pathways in coronary artery disease. J Clin Invest. 2011;121:2693–708.
14 Lüscher TF, Landmesser U, von Eckardstein A, Fogelman AM. ­High-density lipoprotein: vascular protective effects, dysfunction, and potential as therapeutic target. Circ Res. 2014;3;114(1):171–82.
15 Xinmin S. Li, Slayman Obeid, Roland Klingenberg, Baris Gencer, François Mach, Lorenz Räber, et al. Gutmicrobiota-dependent trimethylamine N-oxide in acute coronary syndromes: a prognostic marker for incident cardiovascular events beyond traditional risk factors. Eur Heart J. 2017; in press.
16 Laaksonen R, Ekroos K, Sysi-Aho M, Hilvo M, Vihervaara T, Kauhanen D, et al. Plasma ceramides predict cardiovascular death in ­patients with stable coronary artery disease and acute coronary syndromes beyond LDL-cholesterol. Eur Heart J. 2016;37:1967–76.
17 Templin C, Ghadri JR, Diekmann J, Napp LC, Bataiosu DR, Jaguszewski M, et al. N Engl J Med. 2015;3;373(10):929–38.
18 Anand IS, McMurray J, Cohn JN, Konstam MA, Notter T, Quitzau K, et al. on behalf of the EARTH investigators. Long-term Effects of darusentan on LV remodeling and clinical outcomes – The Endothelin A Receptor Antagonist Trial in Heart Failure (EARTH). ­Lancet. 2004;364:347–54.
19 SD, J, G, R, K, H, et al.; . Ferric carboxymaltose in patients with heart failure and iron deficiency. 2009;361:2436–48.
20 Ruschitzka F, Abraham WT, Singh JP, Bax JJ, Borer JS, Brugada J, et al. Holzmeister for the EchoCRT Study Group. Cardiac-Resynchronization Therapy in Heart Failure with a Narrow QRS Complex.
N Engl J Med. 2013;369:395–405.
21 Lüscher TF. Chefredaktion «Cardiovascular Medicine» ab 2017. ­Cardiovasc Med. 2016;19:307–8.