Jahrestagung 2016 der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie1

Betablocker und Asthma bronchiale: Ja oder Nein?

Review Article
Issue
2016/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2016.00438
Cardiovascular Medicine. 2016;19(10):256-260

Affiliations
a Klinik für Pneumologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich; b Klinik für Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich, Zürich

Published on 19.10.2016

Betablocker in der Kardiologie

Betablocker gehören zu den meist verwendeten Medikamenten in der Kardiologie. Die Medikamentenklasse besteht aus Dutzenden von Molekülen mit ­unterschiedlichen pharmakodynamischen und phar­ma­kokinetischen Eigenschaften. Betablocker hemmen die Wirkung adrenerger Substanzen an Betarezeptoren kompetitiv. Einige Moleküle wirken zusätzlich auch hemmend an α-Rezeptoren (z.B. Carvedilol). Durch Hemmung der ­β1-Rezeptoren werden hauptsächlich kardiale Effekte erreicht: Senkung der Herzfrequenz (negative Chronotropie), Senkung der Kontraktilität (negative Inotropie), Verlangsamung der Erregungsleitung (negative Dromotropie) sowie Senkung der Automatie. Die Hemmung von β2-Rezeptoren führt hingegen zu systemischen Wirkungen, unter anderem Tonuserhöhung der glatten Muskulatur und Hemmung der Insulinsekretion. Die Kardioselektivität (β1-Spezifizität) und die ­intrinsische sympathomimetische Aktivität (ISA) der verschiedenen Moleküle werden durch die rezeptorspezifischen Eigenschaften bestimmt. Die Wirkdauer von Betablockern reicht von wenigen Minuten (z.B. Landiolol, Esmolol) bis zu mehreren Stunden (z.B. Bisoprolol, Nebivolol).
Betablocker werden zur Behandlung verschiedener kardiologischer Erkrankungen eingesetzt. Gemäss den aktuellen Richtlinien der European Society of Cardiology (ESC) werden sie zur Reduktion der pektanginösen Beschwerden bei Patienten mit stabiler ­koronarer Herzkrankheit empfohlen (Klasse-I-Empfehlung), obwohl eine Verbesserung der Langzeit-Prognose bei diesen Patienten nicht belegt ist [1]. Zudem gehören Betablocker zu den wichtigsten Medikamentenklassen für die Sekundärbehandlung nach akutem Myokard­infarkt – dies gilt sowohl für Patienten mit ST-Hebungs- (Klasse-IIa-Empfehlung) als auch für Patienten mit Non-ST-Hebungs-Myokardinfarkt (Klasse-I-Empfehlung) [2, 3]. In diesem Setting zeigten Betablocker eine Verbesserung der Ischämie-bedingten Symptome und auch der kardiovaskulären Prognose.
Betablocker werden auch zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion empfohlen (Klasse-I-Empfehlung) [4]. Diesbezüglich zeigten mehrere ­randomisierte plazebokontrollierte Studien eine Verbesserung der Mortalität und der Morbidität [5–11].
Sie werden ferner zur Frequenzkontrolle bei neu aufgetretenem oder chronischem Vorhofflimmern empfohlen (Klasse-I-Empfehlung) [12]. Diese Indikationen erklären den erfolgreichen Einsatz dieser Substanzklasse bei einem sehr breiten Spektrum von Patienten.
Tabelle 1: Übersicht über Betablocker-Klassen und Beispiele.
Nichtselektive BetablockerOhne ISANadolol
Propranolol
Timolol
Mit ISAPindolol
β1-selektive BetablockerOhne ISAAtenolol
Esmolol
Metoprolol
Bisoprolol
Nebivolol
Kombinierte Apha-/Beta­blocker Labetalol
Carvedilol
Kardioselektive Betablocker haben eine mehr als 20fach höhere Affinität für β1-Rezeptoren. Eine Subgruppe von Betablockern hat eine intrinsische sympathomimetische Aktivität (ISA): dabei werden kompetitiv β-adrenerge Rezeptoren stimuliert (agonistischer Effekt) und gleichzeitig die Effekte von Katecholaminen gehemmt (antagonistischer Effekt). Generell kann gesagt werden, dass beim Einsatz von Betablockern bei Asthmapatienten kardioselektive Betablocker ohne ISA bevorzugt werden sollten.

Betablocker und Asthma: 
Geschichte und Pathophysiologie

Die erste Assoziation zwischen dem Einsatz von betablockierenden Substanzen und einer Verschlechterung der Lungenfunktion wurde 1964 im «Lancet» ­publiziert: 4 von 10 Patienten entwickelten nach intravenöser Gabe eines nicht-kardioselektiven Betablockers (Propranolol) einen plötzlichen und tiefen Abfall der Einsekundenkapazität (FEV1) [13]. Die Autoren ­folgerten daraus, dass die Gabe von Betablockern bei Asthmatikern mit Vorsicht erfolgen sollte. Diese Konklusion gilt noch heute.
Eine andere historische Arbeit untersuchte den Effekt verschiedener Betablocker auf die bronchiale Antwort und fand eine breite Varianz der Lungenfunktion auch bei Betablockern mit β1-Selektivität. Die Autoren schlossen daraus, dass Kardio­selektivität eine relative Qualität sei und keineswegs Sicherheit im Einsatz bei Asthmapatienten impliziere [14]. Auch diese Bemerkung gilt – mit Einschränkungen – noch heute: Das höchste Risiko für eine akute bronchiale Obstruktion besteht unabhängig vom Betablocker-Typ nach der Erst- bzw. Einmalgabe eines Betablockers und scheint sich im Verlauf zu reduzieren.
Die Mechanismen der Betablocker-induzierten Bronchokonstriktion sind kompliziert und nicht vollends geklärt. Normalerweise wird der Tonus der Bronchialmuskulatur über das Zusammenspiel von sympathomimetischen und parasympathomimetischen Faktoren reguliert, die entsprechenden Abläufe sind vereinfacht in Abbildung 1 dargestellt (detailliert in [15]). Der am stärksten bronchokonstriktiv wirkende Faktor ist die Ausschüttung von Acetylcholin am präsynpatischen Ende eines cholinergen Neurons. Dieses bindet auf der postsynaptischen Seite an den muska­rin­ergen M3-Rezeptor, den Haupteffektor der bronchialen Konstriktion. Über einen negativen Rückkoppelungsmechanismus aktiviert Acetylcholin den präsynaptischen M2-Rezeptor und die weitere Ausschüttung von Acetylcholin wird vermindert. Ebenso bewirkt eine sympathomimetische Aktvierung von β2-Rezeptoren auf der präsynaptischen Seite eine Hemmung der Acetylcholin-Ausschüttung. Auf der postsynaptischen Seite wirkt der β2-Rezeptor direkt relaxierend. Anders als auf der präsynpatischen Seite, wo β2- und M2-Rezeptoren synergistisch wirken, hemmt auf der postsynaptischen Seite der M2-Rezeptor den ­Effekt des β2-Rezeptors. Damit wird der M3-vermittelte bronchokonstriktive Effekt verstärkt. Eine akute Betablockade blockiert die präsynpatische Interaktion von β2-M2-Rezeptoren, so dass die Acetylcholinausschüttung anhält. Auf der postsynaptischen Seite entfällt durch die Betablockade die β2-vermittelte Broncho­dilatation. Es kommt damit zu einer ungehemmten Bronchokonstriktion. Interessanterweise kann der bronchokonstriktive Effekt der Betablockade durch eine vorgängige Inhalation von Anticholinergika (Typ Tiotropium) verhindert werden [16]. Im Rahmen der chronischen Betablockade kommt es zu einer Aufregulation von β2-Rezeptoren auf beiden Seiten dieser Endorgansynapse. Der β2-vermittelte Feedbackmechanismus auf der präsynaptischen Seite wird damit wieder hergestellt, die Atemwegsreaktivität wird reduziert. Ob die β2-Aufregulation auf der postsynaptischen Seite genügt, um den bronchokonstriktiven Effekt von M3-Rezeptoren abzumindern, ist unklar. Vermutlich bleibt auch bei der chronischen Betablockade ein erhöhter Tonus der Bronchialmuskulatur bestehen.
Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung der physiologischen Mechanismen der ­Bronchokonstriktion. Der Tonus der glatten Muskelzellen im Bronchial­baum wird durch die Balance aus sympathomimetischen und parasympathomimetischen Faktoren definiert. Acetylcholin (Ach) ist der wichtigste bronchokonstriktive ­Mediator, der über den muskarinergen M3­­-Rezeptor auf der postsynaptischen Seite der Endorgan­synapse wirkt. Der β2-Rezeptor ist der wichtigste Broncho­dilatator. Auf der ­präsynaptischen Seite interagieren β2- und M2-Rezeptoren gleichförmig in der Hemmung der Ach-Ausschüttung (gestrichelte Linie), auf der postsynaptischen Seite kommt es durch den M2-Rezeptor zu einer Inhibition des β2-Rezeptors. Die Bronchialmuskulatur hat keine direkte Innervation durch sympathetische Nerven. Details siehe Text.
Eine kleinere Studie hat zudem den Effekt von thorakalen Sympathektomien – durchgeführt bei Patienten mit primärer Hyperhidrose – auf Lungenfunktion und bronchialen Muskeltonus untersucht. Spirometrisch zeigte sich eine milde, aber dauerhafte Abnahme der Einsekundenkapazität, wobei sämtliche Patienten (darunter zwei mit Asthma bronchiale) asymptomatisch blieben. Diese Arbeit bestätigte eine direkte sympathomimetische Regulation des bronchialen Muskeltonus, allerdings scheinen diese Effekte gegenüber dem Einfluss des parasympathischen Nervensystems von klinisch untergeordneter Bedeutung zu sein [17] .
Viele Übersichtsarbeiten und klinische Richtlinien ­haben den Einsatz von Betablockern bei Patienten mit Asthma bronchiale aufgrund möglicher respiratorischer Nebeneffekte und der Resistenz gegenüber inhalativen Agonisten (Betamimetika) als Kontraindikation aufgeführt. Auch die GINA-Richtlinien (Global Initiative for Asthma) halten sich mit insgesamt drei Empfehlungen (Evidenz-Grad D) eher zurück. Immerhin wird attestiert, dass Betablocker bei Patienten mit «akutem koronarem Ereignis» nicht als absolute Kontraindikation gelten und dass ein Einsatz in diesem Patientenkollektiv individualisiert unter entsprechender Risiko/Nutzen-Abwägung erfolgen soll [18].
Umgekehrt ist natürlich klar, dass neu aufgetretene respiratorische Symptome (Husten, Kurzatmigkeit, Wheezing) nach Beginn einer Betablocker-Therapie an ein bisher nicht diagnostiziertes Asthma bronchiale denken lassen sollten. Bereits der Einsatz von topischen, nichtselektiven ­Betablockern hat bei Patienten mit Asthma zu Exazerbationen und Todesfällen geführt [19, 20]. Pharmakokinetische Studien haben zudem gezeigt, dass die Plasmaspiegel und die Herzfrequenz nach topischer und intravenöser Gabe von Timolol keinen wesentlichen Unterschied zeigten [21]. Umgekehrt hat die Betablocker-Therapie bei der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) einen fixen Stellenwert und hat das Auftreten von Exazerbationen und die Mortalität dieser Patienten vermindert [22, 23]. Im Unterschied dazu ist die Betablocker-Therapie beim Asthma epidemiologisch bisher nicht gut untersucht.

Epidemiologie

Epidemiologische Untersuchungen aus Schottland ­haben gezeigt, dass bei mehr als 2% der Asthmapatienten pro Jahr eine Betablocker-Therapie verschrieben wird [24]. Bei einer geschätzten Asthmaprävalenz von 5–10% wären das auf die Schweiz übertragen jährlich rund 10–20 000 Patienten. Dies ist – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Betablocker bei Asthmapatienten gemäss den meisten Empfehlungen kontraindiziert sind – eine beachtliche Anzahl von Patienten, die einem potentiellen Risiko ausgesetzt werden. Es lohnt sich also, die Datenlage hinsichtlich der Sicherheit dieser Therapie in diesem Patienten­kollektiv etwas genauer anzusehen. Die gleiche Studie zeigte zudem, dass kardioselektive Betablocker vor allem bei älteren Patienten mit kardialen Begleiterkrankungen zum Einsatz kommen. Jüngeren und insbesondere weiblichen Patientinnen wird häufig (in mehr als 75%) ein nichtselektiver Betablocker verschrieben. Ob dies mit der Häufung anderer Entitäten bei jungen Frauen zusammenhängt (z.B. Hyperthyreose und Migräne), ist unklar.

Unerwünschte Wirkungen und Sicherheit von Betablockern bei Asthma

Mehrere systematische Übersichtsartikel und Metaanalysen haben den Effekt von kardioselektiven und nichtselektiven Betablockern bei Asthmatikern auf Lungenfunktion, Symptome und funktionelle Antwort auf inhalative Agonisten untersucht [25–27]. Die Arbeit von Salpeter et al. schloss 29 randomisierte, plazebokontrollierte Studien ein, die zwischen 1966 und 2001 publiziert wurden und sich auf kardioselektive Betablocker beschränkten [25]: 19 Arbeiten untersuchten die Effekte nach Einzelgaben, 10 Studien die Effekte nach 3 Tagen bis 4 Wochen. Bei den Einzelgaben zeigte sich eine mittlere Abnahme der FEV1 von 7%, eine ­Zunahme der Symptome wurde nicht beobachtet. Bei wiederholten Gaben über den genannten Zeitraum kam es zu keiner signifikanten Abnahme der FEV1 (0,42%) oder Änderungen im Gebrauch von betamimetischen Inhalativa, auch respiratorische Symptome traten nicht relevant häufiger auf. Bei den chronischen Betablocker-Applikationen zeigte sich aber eine mittlere Zunahme der FEV1 von 10% auf die Gabe von inhalativen Betamimetika – die therapeutische Antwort auf diese Inhalativa war also nach längerer Betablocker-Therapie relevant verbessert. Die Autoren schlossen daraus, dass das Risiko für unerwünschte respiratorische Wirkungen gering ist und kardioselektive Betablocker bei entsprechender Indikation den Patienten nicht vorenthalten werden sollten. Zum gleichen Schluss kam eine Cochrane-Analyse, die von denselben Autoren publiziert wurde [26].
Eine weitere systematische Übersichtsarbeit untersuchte anhand von 32 Studien mit insgesamt mehr als 1300 Patienten die akuten Effekte von selektiven und nichtselektiven Betablockern bei Asthmatikern [27]. Bei den nichtselektiven Betablockern kam es dabei im Mittel zu einer Abnahme der Einsekundenkapazität von 10% und einer von 13 Patienten entwickelte Symptome. Bei den kardioselektiven Betablockern zeigte sich wie in der Metaanalyse von Salpeter eine Abnahme von 7%. Allerdings kam es bei einem von 8 Patienten zu einer relevanten Abnahme von >20%. Einer von 33 Patienten zeigte respiratorische Symptome. Die Autoren schlossen, dass selbst kardioselektive Betablocker nur mit Vorsicht eingesetzt werden sollten, insbesondere bei Patienten mit schwerer Obstruktion oder wenn bereits bei Beginn («Baseline») die Lungenfunktion deutlich eingeschränkt ist.
Eine kleine, randomisierte, plazebokontrollierte Studie mit «cross-over»-Design untersuchte den Effekt ­eines nichtselektiven Betablockers (Propranolol) bei Asthmatikern [28]. Alle Patienten waren bei Studien­beginn lungenfunktionell stabil und unter Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden. Die Patienten wurden in einem Zeitrahmen von 4–6 Wochen auf eine Propranolol-Dosis von 80 mg auftitriert. Während dieser Phase wurde eine zusätzliche Therapie mit einem inhalativen Anticholinergikum (Tiotropium) durchgeführt. Nach insgesamt 10–12 Wochen wurden die Studienarme gekreuzt. Primärer Endpunkt war die Atemwegsreagibilität im Metacholintest, sekundäre Endpunkte beinhalteten Lungenfunktion und Symptome. Die ­Unterschiede im Bronchoprovokationstest und in der Einsekundenkapazität zwischen Betablocker- und plazebobehandelten Patienten waren nicht signifikant, eine leichte Abnahme zeigte sich in der unmittelbaren lungenfunktionellen Antwort auf das betamimetische Inhalativum Albuterol. Eine Zunahme von respiratorischen Symptomen wurde aber nicht beobachtet, die chronische Betablocker-Therapie ging mit einer klinisch nicht-relevanten Abnahme der FEV1 (2,4%) einher. Bei stabilen, bereits mit inhalativen Steroiden ­behandelten Patienten und entsprechender Indikation kann deshalb vermutlich eine vorsichtig auftitrierte nichtselektive Betablockade etabliert werden.
Die bereits oben erwähnte Populationsstudie von ­Morales et al. [24] untersuchte zudem auch den Einsatz von systemischen Steroiden («rescue steroids») in der Zeitspanne vor und nach Neuinstallation einer Betablockade – berücksichtigt wurden dabei Betablocker-naive Patienten, bei denen vor und nach Verschreibung eines Betablockers Verlaufskontrollen von mehreren Wochen dokumentiert waren. Die Inzidenz der Patienten, die aufgrund einer respiratorischen Verschlechterung mit oralen Steroiden behandelt werden mussten, war dabei sehr tief (0,8% in den ersten 2 Wochen nach Beginn eines Betablockers) und unterschied sich in den Wochen vor und nach neubegonnener Betablocker-Therapie nicht wesentlich.

Betablocker zur Asthma-Therapie?

Betablocker sind aber nicht nur hinsichtlich ihrer ­Sicherheit bei Asthma-Patienten untersucht worden: einige Autoren haben postuliert, dass Betablocker paradoxerweise sogar einen therapeutischen Ansatz in der Behandlung von Patienten mit Asthma bieten können [15, 29].
Zwei experimentelle Studien verdienen diesbezüglich besondere Erwähnung [30, 31]: In einem Asthma-Mausmodell konnte gezeigt werden, dass der Einsatz eines nichtselektiven Betablockers (Nadolol) bzw. eines kombinierten Alpha-und Betablockers (Carvedilol) nach einem Zeitraum von 28 Tagen den maximalen Atemwegswiderstand (Peak RAW, Peak Airway Resistance) um beinahe die Hälfte reduzieren konnte. Im Lungengewebe dieser Mäuse wurde gleichzeitig eine 8–10fache Aufregulation der Betarezeptoren beobachtet [30]. Während eine akute Betablockade also mit einer Erhöhung der Atemwegswiderstände und der bronchialen Antwort auf bronchokonstriktive Trigger einhergeht, scheint eine chronische Applikation von Betablockern die bronchiale Hyperreagibilität – und damit potentiell die Asthmaaktivität – über eine Aufregulation von Betarezeptoren zu vermindern.
Eine zweite Studie untersuchte am gleichen experimentellen Modell die Eosinophilenzahl in der bronchoalveolären Lavage und das Ausmass der endobronchialen Schleimakkumulation unter Therapie mit Steroiden und Nadolol [31]. Diese Endpunkte wurden durch beide Therapien reduziert: die Eosinophilenzahl stärker durch Steroide, das Schleimvolumen stärker durch den Betablocker. Die Kombination der Therapien war in beiden Fällen effektiver als der isolierte Einsatz dieser Medikamente. Die maximalen Effekte wurden jeweils nach 28 Tagen beobachtet. Diese Daten suggerieren ­einen steroidsparenden Effekt der Betablocker-Therapie und sind – auch wenn sie natürlich im klinischen Setting bestätigt werden müssen – diesbezüglich vielversprechend.

Das Wichtigste in Kürze

– Die Mechanismen der Betablocker-induzierten Bronchokonstriktion sind nicht vollends klar.
– Der präventive Einsatz von inhalativen Anticholinergika (Typ Tiotropium) kann den bronchokonstriktiven Effekt von Betablockern reduzieren.
– Unerwünschte respiratorische Wirkungen von Betablockern sind bei Patienten mit gut kontrolliertem Asthma bronchiale selten.
– Bei entsprechender Indikation sollte auch Patienten mit Asthma bronchiale eine Betablocker-Therapie nicht vorenthalten werden.
– Wenn immer möglich sollten kardioselektive Betablocker eingesetzt werden. Wenn ein nichtselektiver Betablocker eingesetzt werden muss, sollte während der Titrationsphase zusätzlich eine Inhalation mit Anticholinergika erfolgen.
– Das Risiko für respiratorische Nebenwirkungen besteht unabhängig von der Klasse des Betablockers – es ist bei der Erstgabe am höchsten und reduziert sich im Verlauf.
– Von experimentellen Studien wird suggeriert, dass Patienten mit Asthma bronchiale von der chronischen Gabe eines Betablockers sogar profitieren können. Dies muss durch klinische Studien bestätigt werden.
No financial support and no other potential conflict of interest ­relevant to this article was reported.
Lars C. Huber
Klinik für Pneumologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
CH-8091 Zürich
lars.huber[at]usz.ch
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